Aufregend war‘s: 24-Stunden-Regatta auf der Alster

Aufregend war‘s:  24h-Regatta auf der Alster

Manchen von uns kann es ja beim Segeln nicht bekloppt genug zugehen. Anders ist nicht zu erklären, wieso sechs  Segelfreund*innen am ersten August-Wochenende in Hamburg an der 24-Stunden-Regatta des Akademischen Segelvereins (ASV) teilgenommen haben. Wie es gelaufen ist, erzählt Thilo in seinem Bericht.

Los ging’s am Freitagnachmittag (3. August). Bereits vor dem offiziellen Regattastart hatten wir die Gelegenheit, schon mal eine erste Runde mit dem uns bis dahin völlig unbekannten Jollentyp „Alezan“ zu segeln. Eine kleine Schwertjolle, etwa in der Größe einer 420er. So konnten wir uns schon mal ein bisschen auf den Bootstyp einstellen und herausfinden, wo die Wendetonnen liegen.

Leider hatte unser Bötchen ein furchtbar verschlissenes Vorsegel mit mehrfach geflicktem und dennoch löchrigem Sichtfenster. Wir sprachen den Bootsmann vom Unisteg darauf an und er versprach uns ein besseres Segel für die Regatta. Und tatsächlich, am nächsten  Tag erhielten wir eine nagelneue Fock!

Begrüßungsfeier und Reeperbahnerlebnisse

Zuvor hatten  wir aber erstmal mit dem ASV den Begrüßungsabend gefeiert, bei einem schönen Grillfest auf einer Wiese an der Alster.

Als das Fest gegen 22:00 Uhr zu Ende ging machte der unternehmungslustigere Teil unserer Mannschaft noch die Reeperbahn unsicher. Ich hörte vom Besuch einer Burlesque-Show, Lindenberg-Café, Beinahe-Rausschmiss aus einem Sex-Shop … Egal, jedenfalls waren sie erst kurz vor fünf Uhr morgens wieder in unserer Unterkunft.

Preis für die beste Bootsdeko

Samstag ging’s dann richtig los,  zuerst mal mit Boot putzen, auch des Unterwasserschiffs, um möglichst schnell durchs Wasser zu gleiten. Und dann mussten die Boote für die nächtliche Fahrt noch  mit Lichterketten geschmückt werden, denn anlässlich des 20. Jubiläums der 24-Stunden-Regatta war ein Sonderpreis für das schönste Boot ausgelobt worden.

Wir haben uns mit einigen sanft blaugrün leuchtenden Quallen in den Salingen von den anderen Booten abgehoben. Damit haben wir es immerhin in die engere Auswahl geschafft. Auf einen Sieger konnte sich die Jury nicht verständigen, weil alle sechs Boote in der Endrunde gleich schön waren und so hat ein kleines Mädchen  die Losfee gespielt und einen Gewinner gekürt.

Wir waren es leider nicht, aber trotzdem eine schöne Idee, wie ich finde.

Krasse Vorfahrtsregeln auf der Alster

Um 13.00 Uhr fiel dann am Samstag bei schönstem Sommerwetter und schwachem Wind der Startschuss.

Am Start fanden sich 24 Boote ein: acht kleine Alezans, je vier Conger und Kielzugvögel bis zu stolzen J70s (schnelle Kielyachten mit kleiner Kajüte und Gennaker). Auch ein cooler Eigenbau von der Uni Aachen war dabei.

Krass sind die Vorfahrtsregeln auf der Alster:
Fahrgastschiffe haben immer Vorfahrt (anders als auf dem Bodensee ohne grünen Ball im Topp), sonst gilt „rechts vor links“, egal, ob Segelboot, Motorboot, SUP oder Luftmatratze. Nur für die Regattaboote untereinander gelten die üblichen Regeln „Lee vor Luv“, „Segel links, das bringt’s“.

Crewwechsel nach jeder Runde

Das Geilste war die Wechselzone: Nach jeder Runde um die Alster – ca. 3 Seemeilen – musste mindestens die halbe Crew ausgetauscht werden. Wir wechselten jeweils die komplette 2-Personen-Besatzung. Und das musste sehr schnell gehen, idealerweise sollte das Schiff am Steg entlang gleiten und gar nicht zum Stillstand kommen, weil ja von hinten schon das nächste Boot herandrängte.

Anlegen, rausspringen, reinspringen, anschieben und weg. Wer dem strengen Regattaleiter dabei nicht schnell genug war, musste einen „Kringel“ drehen.

Ist mir auch einmal passiert, aber kein Problem, wir haben ja unseren Quickstopp oft genug geübt. Darin waren wir deutlich besser als so mancher Konkurrent, den auch solch eine Strafe erwischte. Wenn wir so einen Wechselstunt am Unterbacher See machen würden, bekämen wir sofort einen Platzverweis!

Unterbrechung wegen Gewitter

Gegen Abend zog dann ein Gewitter auf. Es gab nur eine heftige Böe. Aber die reichte, um ein Boot kentern zu lassen und  im Hafen ein großes Pavillon-Zeltdach so anzuheben, dass es sich aus den Stützstangen löste und beinahe auf die frisch angeheizten Grills darunter gefallen wäre. Zum Glück konnte es noch aufgefangen und dann gesichert werden.

An dieser Stelle brach die Regattaleitung die Wettfahrt sicherheitshalber hart ab. Das bedeutete: Alle mussten sofort den nächstliegenden Steg anlaufen und die Boote verlassen. Als das Gewitter durchgezogen war, wurden die versprengten Boote mit Motorbooten alle wieder zum Unisteg geschleppt für einen späteren Neustart.

Zuerst durften sich die Seglerinnen und Segler aber in Ruhe mit trockener Kleidung versorgen, denn der heftige Regenguss hatte doch einige kalt erwischt. Und wir konnten erst mal in Ruhe zu Abend essen: frische Salate mit Würstchen, Fleisch und Grillkäse.

Um 22.00 Uhr sollte es dann weitergehen, trotz inzwischen absoluter Windstille. Wir paddelten zur Startlinie und 40 Minuten nach dem Start waren die 24 Boote gerade mal 100 m weitergetrieben!

Verzauberte Stimmung bei Windstille

Trotzdem herrschte eine verzauberte Stimmung, weil die funkelnden Boote mit Ihren Leuchtbändern, Knicklichtern, Leuchtquallen u.s.w. dicht beieinander lagen. Mit einer sehr sanften Brise konnten wir diese Runde schließlich um 1:15 Uhr, nach weit über drei Stunden beenden. Eine gute Zeit für meinen Vorschoter und für mich, ins Matrazenlager zu kriechen und eine Mütze Schlaf zu nehmen.

Kurz nach fünf war ich wieder munter und musste erkennen, dass ich meine nächste Schicht knapp verpasst hatte. Die Kameraden hatten mich freundlicherweise schlafen lassen und jemand anderen auf die Reise geschickt. So haben wir noch mehrfach die Crews gewechselt, sodass glaube ich am Ende fast alle möglichen Zweierteam-Kombinationen mal eine Runde gesegelt sind.

Am Sonntagvormittag wurde es nochmal spannend, erste Zwischenergebnisse wurden bekannt gegeben, und wir wollten in unserer Einheitsklasse der acht Alezans noch mindestens einen Platz aufholen.

Matchraces, Kenterung und Kollision

Es gab in mehreren Runden „Matchraces“ mit einer anderen Alezan, wo wir uns nichts schenkten, aber beide Crews so richtig Spaß hatten. Der Wind frischte so kräftig auf, dass noch eine Jolle kenterte und eine Conger so voll lief, dass sie in den Hafen geschleppt und ausgepumpt werden musste.

Als wäre das nicht genug, gab es auch noch in Sichtweite unseres Hafens eine Kollision eines der Regattaboote mit einem kleinen Fahrgastschiff: Ein historisches Dampfschiff, etwa von der Größe eines Reisebusses, gab noch einen Warnton mit der Sirene. Erst danach wendete die Jolle und fuhr dem Dampfer direkt an den Bug.

Unverständlich, was da passiert ist – aber zum Glück ist außer ein paar Kratzern nichts passiert und beide Havaristen konnten ihre Fahrt fortsetzen.

Das Ergebnis: nicht schlecht für ein fremdes Boot und Revier

Bleibt noch das Ergebnis: Wir haben Platz 13 von 24 ersegelt. Unter den acht Alezans waren wir die Nummer 4. Kein  schlechtes Resultat, wenn man bedenkt, dass wir weder den Bootstyp noch das Revier kannten und teilweise noch nie miteinander gesegelt waren.

Ach ja, insgesamt haben wir 18,6 Runden bzw. ca. 50 Seemeilen  geschafft, die schnellste in 35 Minuten, die langsamste in 3:15 Stunden.

Alles ist heil und alle sind gesund geblieben – und es war ein megageiles Erlebnis!