Nach zwei Jahren Corona-Pause, konnten wir endlich wieder zu einem gemeinsamen Vereinstörn starten. Mit 26 Segler*innen und
5 Yachten und ging es über das Fronleichnamswochenende von Lemmer über Urk, Enkhuizen und Stavoren durchs Ijsselmeer.
Wie’s war? Davon erzählt Maren in ihrem Törnbericht.
Es ist immer wieder erstaunlich, was alles in einer Yacht untergebracht werden kann (in unserem Fall: in einer Bavaria 36). Man kommt rein, denkt sich, wohin denn nur mit all dem Kram, und flugs ist doch alles weggepackt und erstaunlicherweise ist diesmal sogar die eine oder andere Verstaumöglichkeit unbenutzt geblieben.
Beim Check vor der Bootsübergabe hatten wir festgestellt, dass ein Bootsmannstuhl fehlt. Den bringt der Vercharterer am nächsten Morgen flugs vorbei – und er kommt auch gleich zum Einsatz, da die Flaggenleine ordentlich an der ersten Saling eingefädelt werden muss. Nun sind wir startklar und laufen kurz darauf zu unserer ersten Fahrt aus. Rita fährt uns gewandt aus dem Hafen und wir alle üben noch ein wenig manövrieren unter Motor.
Endlich geht es richtig los. Bei herrlichem Wetter werden die Segel gesetzt und wir nehmen Kurs auf Urk, um abends Regina an Bord zu nehmen und unsere Crew zu vervollständigen. Alles ist wieder ein bisschen neu, aber dank einer kurzen Einweisung und ein paar Segelmanövern (Großkreis fahren) kommt auch die Erinnerung wieder. Worauf ist alles zu achten? Sind alle Seeventile und Luken geschlossen? In welche Relingfelder kommen die Fender? Und immer wieder beliebt: In welcher Reihenfolge werden warum die Leinen beim Ablegen gelöst bzw. beim Anlegen ausgebracht?
Mann im Schlepp und Rettungsmanöver
Der Donnerstag beschert uns Sonne satt und schwachen Wind, mit dem wir nach Enkhuizen segeln. Wir lassen es uns gut gehen an Bord und jeder ist mal Rudergänger. Unterwegs treffen wir wieder die Batouwe, die uns für unsere „Spielerei“ (oder muss es „Spinnerei“ heißen?) eine Feststoffweste leiht.
Am Vorabend hatten wir uns darüber unterhalten, wie lange man sich wohl an einer Leine festhalten kann, wenn man hinter dem Boot hergezogen wird, wann der Zug zu stark, wann die Bugwelle, die man selbst aufbaut zu hoch wird und einen überspült. Also dachten wir, warum probieren wir es nicht aus? Zeit ist da, die Sonne scheint, es weht kaum ein Lüftchen und schon sind die Segel geborgen und Skipper Thilo springt über Bord. 1 Knoten, 2 Knoten, 3, 4, 4 ½ Knoten Fahrt…und immer noch hängt Thilo am Seil und gibt sein Okay-Zeichen. Bei 5 Knoten ist dann Schluss. So viel hätte keiner von uns erwartet und ist bestimmt sowohl der glatten See als auch Statur und Kraft von Thilo zuzuschreiben, dass ein Schlepp bei 5 Knoten Fahrt noch möglich war.
Und nun wird es richtig spannend, Teil 2 unserer Spielerei beginnt. Thilo soll über die Schiffseite geborgen werden. Das Großfall wurde abgeschäkelt und ein extra Ring eingebunden. Thilo bindet sich behände die Bergeleine mit einem Palstek um den Körper. Die Bergeleine wird durch den Ring gezogen, auf der Winsch belegt und Stefan müht sich nach Kräften, die Seilkonstruktion von der Bordwand abzuhalten. Unter den Blicken der Batouwe Mannschaft winschen wir … und winschen … und winschen. Alles funktioniert und endlich ist Thilo wohlbehalten an Bord.
Und damit auch die Batouwe nicht nur Zuschauer ist, sondern auch ein Manöver fahren darf, fliegt die nun nicht mehr benötigte Feststoffweste im hohen Bogen ins Wasser. Somit dreht Dieter einen kleinen Kreis und fischt sie sich ohne viel Federlesens wieder heraus.
Wir verabschieden uns von der Batouwe und treffen sie erst abends im Hafen von Enkhuizen wieder, wo Regina gekonnt längsseits am Pier anlegt. Zurück von unserem Stadtbummel, sehen wir, dass ein weiteres Boot im Päckchen an uns festgemacht hat. Da wir aber am nächsten Morgen vor dem Sonnenaufgang ablegen wollen, um rechtzeitig Stefan und Peter nach Lemmer zu bringen, ist das zweite Boot nur zu gern bereit, am Abend noch die Plätze zu tauschen. Das äußere Boot legt ab, dreht einen Kreis, wir legen ab, drehen unseren Kreis, warten, bis das andere Boot festgemacht hat und legen unsererseits an. Alles sehr routiniert und viel unspektakulärer als man sich das als „Neuling“ vorstellt.
Ein-Hand-Boje bergen unter Motor
Wir haben Halbzeit erreicht, der Freitag bricht an. Um kurz nach 4 Uhr stehen wir auf und laufen schon um 4:45 Uhr aus dem Hafen aus. Der Wind ist gut, die Segel sind gesetzt und kurz darauf bekommen wir ein klassisches Morgenrot geboten und genießen den Sonnenaufgang auf dem Wasser.
Das frühe Aufstehen scheint bei Stefan jedoch zu unerwarteten Nebenwirkungen zu führen. Auf einmal landet der Kugelfender über Bord und es heißt, Ein-Hand-Boje bergen unter Motor. Das Verursacherprinzip wird nicht anerkannt und da ich in diesem Moment Rudergängerin bin, muss ich den Motor starten, in den Wind fahren, das Groß bergen, zur Boje zurück und sie einholen.
Dank Stefans Demo am Vortag, warum es GroßFALL heißt, geht letzteres erstaunlich schnell. Mit ein wenig Hilfestellung und trotz einiger Fehler (es hilft ungemein, wenn u.a. die Fock nicht stehen bleibt 😉) wird die Boje nach gar nicht so langer Zeit wieder an Bord geholt. Thilo und Stefan probieren es danach und jedes Mal wird das Manöver besser und zügiger gefahren.
Nach dieser Aufregung haben wir uns ein Frühstück verdient und Stefan kredenzt uns im Beilieger ein klassisches Seglerfrühstück mit Rührei, Speck und Zwiebeln.
Hafenkino der anderen Art
Rechtzeitig zum Mittag laufen wir in Lemmer ein und dank Ritas Beharrlichkeit erlebt auch Thilo mal, wie es sich anfühlt in die Mastspitze gezogen zu werden. Ein weiteres Mal wird der Bootsmannstuhl ausgepackt. Der Vorwand ist das Richten der Quadranten am Verklicker. Bisher drehten sie sich mal mehr mal weniger mit dem Wind und waren nicht zu gebrauchen. Das wird ein Hafenkino der anderen Art. Doppelt gesichert über Groß- und Spifall mit einer zusätzlichen Sicherung durch den Lifebelt um den Mast, wird Thilo überwiegend von Rita Stückchen für Stückchen hoch gewinscht – zur ersten Saling, zur zweiten Saling, bis endlich die Mastspitze erreicht ist. Ca. 18 Meter über der Wasserlinie, das ist ungefähr so hoch wie ein 6-stöckiges Haus! Und der große Thilo hängt allein an 2 Seilen an einem dünnen Mast. Vielleicht gut, dass man sich das im Vorhinein nicht so genau klarmacht.
Zahlreiche Fotos werden von oben und unten gemacht und der Versuch, die Quadranten auszurichten und festzuschrauben wird zur Nebensache. Aber irgendwann ist gut, es ist genug geschraubt und fotografiert, Stefan und Peter lassen unseren Skipper Meter für Meter sanft wieder ab. Alles ist gut gegangen und Thilo wird die Eindrücke von ganz oben bestimmt lange im Kopf behalten.
Jetzt ist der erste Abschied angesagt. Stefan und Peter, packen ihre sieben Sachen und gehen von Bord, da beide anderweitige Pläne haben.
Freitag, die zweite. Nach einer gemütlichen Mittagspause laufen wir erneut aus und beginnen, uns mit geschrumpfter Mannschaft auf die Regatta einzustellen. Durch das frühe Aufstehen und die vielen Erlebnisse in der ersten Tageshälfte haben wir das Gefühl, einen Tag geschenkt bekommen zu haben. Unterwegs treffen wir erneut die Batouwe, die uns wieder locker abhängt. Thilo versucht zu trimmen, hier und da zu zupfen, aber es ist nichts zu machen. Wir sind uns sicher, die werden wir morgen bestimmt nicht einholen.
Dann treffen wir noch die Shadow mit Jürgen und seiner Crew. Wir atmen auf, zumindest ein Boot, das langsamer ist. Oder machen die uns nur was vor und wollen uns in Sicherheit wiegen? Anscheinend nicht. Denn auch wenn Melissa es nicht auf sich sitzen lassen will, die Yacht will nicht so wie ihre gewohnte Laser und so muss sie es sich gefallen lassen, das wir vorbeiziehen und uns die Shadow von allen Seiten einmal anschauen. Dies führt dann am späteren Abend zu langen Fachgesprächen zwischen Thilo und Melissa.
Regattatag – die Spannung steigt
Ein Törn mit dem größten Teil der Aktiven des Segelvereins – klarer Fall: Wir müssen wissen, wer die Schnellsten sind. Geplant ist eine Streckenfahrt mit anschließendem Dreieckskurs geplant, wobei die Ankunftszeit an der ersten Zieltonne gleichzeitig die Startzeit und Starttonne der zweiten Wettfahrt ist.
Zum Glück hat der Wind aufgefrischt und wir dampfen unter Motor rechtzeitig vor Startbeginn zur ausgerufenen Starttonne. Der Plotter wird genutzt, um im richtigen Winkel eine imaginäre Startlinie zu zeichnen, die als Orientierung dienen soll. Nun versuchen wir 2x im richtigen Kurs diese Startlinie zu queren und die Zeit zu stoppen. Wir sind gut vorbereitet und schon hören wir über Funk, wie Manfred die Zeit runterzählt. 4 von 5 Booten haben sich den direkten Am-Wind-Kurs für die erste Streckenregatta ausgesucht, Norbert verfolgt eine andere Strategie und liegt damit goldrichtig, wie sich am Ende herausstellt.
Aber zurück zum Start. Manfred zählt runter und alle Boote segeln los auf Startkurs. Kurz nach dem Startsignal, queren die ersten Boote die Startlinie. Und wir … hinterher. So schön haben wir die Zeit gestoppt, so schön, eine Startlinie auf den Plotter gezeichnet, so schön uns in Position gebracht… und dann war der Wind plötzlich schwächer und wir langsamer als erwartet. Aber egal, wir sehen es sportlich und segeln hart am Wind unseren Kurs. Kurz darauf ist auch schon die Shadow überholt und bleibt hinter uns zurück.
Thilo ist Skipper, Taktiker und meist Rudergänger in Personalunion. Und etwas passiert, was ich mir gar nicht vorstellen konnte, die anderen Boote sind für mich nicht mehr zu sehen. Nur die Swanebloom wird von uns noch eingeholt und wir liefern uns einen spannenden Luvkampf. Vorsichtig wird hier und da gezupft, ein bisschen weiter angeluvt und versucht, mit Gewichtstrimm etwas zu reißen. Zentimeterweise schieben wir uns vor und kommen doch nicht vorbei. Aber auch die Swanebloom kann uns nicht abhängen. Irgendwann gibt sie auf, ihre Segel fallen schon ein, wenn unsere noch stehen. Statt den aussichtslosen Kampf fortzuführen und uns zu behindern, gibt sie uns fairerweise den Weg frei und dreht etwas ab. Nun haben wir freie Bahn und segeln auf unsere erste Zieltonne zu. Regina bekommt den Peilkompass in die Hand und erhält den Auftrag die Peilung auf 330° anzusagen. Vorher bekommen wir noch per Funk mit, dass Norbert und Dieter das Ziel schon passiert haben. Der andere Kurs von Norbert hat sich, wie vorher schon erwähnt, bezahlt gemacht und er gewinnt das erste Rennen, dicht gefolgt von Dieter mit seiner Batouwe.
Wettfahrt Teil 2 und wir sind die Schnellsten
Wir geben nicht auf und machen uns an Wettkampf zwei. Die Vorbereitung von Thilo macht sich bezahlt und wir können sofort den richtigen Kurs anlegen. Auch die Entscheidungen, wann und wo gewendet wird, sind goldrichtig. Es gibt nicht eine einzige überflüssige Wende, der Wind ist uns hold, wir segeln auf gutem Kurs die beiden Wendetonnen an, verfolgen die Nachrichten der anderen Yachten über Funk und versuchen, abzuschätzen, wo wir in der Platzierung liegen könnten.
Wir sind ein eingespieltes Team bei unseren Wenden. Regina bedient das Groß, Rita und Maren kümmern sich um die Fock, ziehen und winschen so schnell es geht. Keine Zeit soll verschenkt werden. Zwischendurch wird immer wieder der Horizont abgescannt und versucht, die anderen Boote zu erkennen.
Und dann liegt sie vor uns, die letzte Zieltonne. Regina peilt über Handpeilkompass, Rita bestätigt über Fernglas und es ist geschafft, die Zeit wird gestoppt und über Funk weitergegeben. Wir waren schnell, sehr schnell. Haben wir etwa das zweite Rennen gewonnen? Es wird sich zeigen. Die Fahrtzeiten müssen nachher noch mit dem entsprechendem Yardstick für die unterschiedlichen Boote umgerechnet werden.
Nun ist also die Regatta vorbei. Erstaunlich. Bis auf den Luvkampf mit der Swanebloom sind wir gefühlt alleine gesegelt. Und trotzdem ist es eine Regatta. So kann es also auch sein.
In Stavoren laufen wir nur noch in den Hafen ein, wo Manfred für uns alle Liegeplätze reserviert hat. Thilo rechnet die Zeiten durch, wir glauben an den zweiten Platz in der Gesamtwertung und freuen uns. Was für eine Steigerung! Am Abend vorher hatten wir vielleicht noch mit Glück auf einen dritten Platz gehofft, wenn überhaupt. Aber wie es sich nachher bei der Siegerehrung zeigt, hat unser Skipper einen kleinen Rechenfehler gemacht und wir gewinnen mit 0,25 Punkten Unterschied in der Gesamtwertung ganz knapp vor allen anderen! 😊
Kein Tag ohne Training
Alles richtig gemacht. „Ballast am Vortag abgeworfen“ (Stefan und Peter), gute Vorbereitung, so dass wir sofort die richtigen Kurse so weit wie möglich anlegen konnten, gut eingespieltes Team beim Wenden, alle haben ihre Aufgaben gut und zügig erledigt, faire Regattateilnehmer, die uns nicht unnötig behindert haben und dass Glück, dass das Siegerboot im ersten Rennen sich beim zweiten Rennen die falsche Zieltonne ausgesucht hat und dementsprechend disqualifiziert wurde. Das Tüpfelchen, das zu den entscheidenden 0,25 Punkten geführt hat, war dann die Tatsache, dass die Kombi aus einem Sieg und einem 3.Platz ganz leicht besser bewertet wird als zwei 2. Plätze. Somit erster Platz für die Toni Manila mit Skipper Thilo und seiner Crew! In großer Runde treffen wir uns zum gemeinsamen Essen im Potvis. Morgen segeln alle wieder ihre verschiedenen Heimathäfen und der Törn geht zu Ende.
Der letzte Tag bricht an. Nicht ohne ein bisschen Hafentraining für uns, bei dem Regina und ich an- und ablegen in die Box üben und Thilo sich an dem englischen Ablegemanöver am Meldesteg versucht. (Die Idee ist, mehr oder weniger parallel zum Steg aus einer engen Lücke seitlich abzulegen mit Vorausfahrt in eine von der seewärtigen Heckklampe gelegte Achterleine. Allein, das Manöver konnte nicht überzeugen, zumindest nicht mit unserer Bavaria).
Ein weiteres Boot setzt an zum Hafentraining, jedoch der Hafenmeister schreitet ein und verbietet weitere Übungsversuche. Wir segeln zurück nach Lemmer, angefüllt mit vielen, vielen Erlebnissen und dem Wunsch, weiterzumachen, nur jetzt nicht aufhören. Noch eine Woche dranhängen, oder zwei. Warum Wochen? Warum nicht gleich Monate?
Deswegen bleibt nur noch ein Dank an den Verein und die Organisation, an meinen Skipper und die Crew. Es hat mir viel Spaß gemacht mit Euch! Gerne begleite ich euch wieder!