Törnbericht Abacos/Bahamas

Vom 25. März bis 7. April segelte eine 7-köpfige Crew (Skipper Wolfgang sowie die Crewmitglieder Anja, Christina, Curt, Peter, Petra und Wolfgang) auf einer Sunsail 444 auf den Bahamas. Start und Endpunkt unseres Törns war Marsh Harbour auf Abacos, mit ca. 5.000 Einwohnern der größte Ort der Inselgruppe.

„Wo macht ihr Segelurlaub? Auf den Abacos???“ Fragezeichen in den Augen des Fragestellers… Auf den Hinweis, dass diese Inselgruppe ein Teil der Bahamas sei, weichen die Fragezeichen einem verträumten Blick,  der den inneren Karibik- Film mit Zutaten wie blauem Himmel mit viel Sonne, türkisfarbenem, kristallklarem Wasser und natürlich den diversen karibischen Drinks nur zu gut wiedergibt.

Dabei liegen die Bahamas (bitte nicht mit den Bermudas verwechseln, diese befinden sich gut 730 sm nordöstlicher) eigentlich noch nicht in der Karibik, sondern im Nordatlantik, wenn auch schon im südwestlichen Teil.

Zwischen Riffen und Hochsee-Feeling

Der seit 1973 eigenständige Inselstaat besteht geschätzt aus ca. 700 Inseln und Tausenden von Felsen, Sandbänken, Riffen und zieht sich in einer Länge von ca. 450 sm nördlich von Kuba in südöstlicher Richtung. Nur ein sehr kleiner Teil der Inseln ist überhaupt bewohnt, gut 70 % der Bevölkerung befinden sich auf der Insel New Providence bzw. in der Hauptstadt Nassau, dem Epizentrum der Kreuzfahrtindustrie in der Region. Ein Blick auf die Karte (ein guter touristischer Überblick findet sich hier: www.bahamas.com/de) zeigt die Herausforderungen dieses sehr schönen Seegebietes: die Inselgruppen sind von mehr oder weniger ausgedehnten Riffen mit wenigen „Cuts“ (Durchfahrten, vergleichbar den Seegatten im Wattenmeer) umgeben; die stellenweise sehr geringen Wassertiefen innerhalb der Inselgruppen erfordern trotz maximal 1 m Tidenhub die Berücksichtigung der Gezeiten; zwischen den Inselgruppen sind Passagen mit Hochseecharakter zu meistern.

Vor allem auf der Nordseite hängt der Zustand der See in den Cuts stark vom Wetter auf dem Nordatlantik ab. Wenn sich dort auch weiter entfernt ein größeres Tief austobt, dann können die Cuts über Tage unpassierbar werden. Die an sich auf dem Atlantik harmlos wirkende Dünung verwandelt sich an den Riffkanten bei ensprechendem  Wind zu beeindruckenden Brechern.

Zudem ist natürlich nicht jeder Unterwasserfelsen oder jede Sandbank auf den Meter genau in den Seekarten verzeichnet, häufig finden sich nur grobflächige Hinweise wie „scattered coral heads“, „shallow heads“ oder „shifting sandbars“. Seezeichen gibt es nur spärlich ­- gegenüber den Bahamas sind das Wattenmeer oder die Ostsee ein Tonnenwald. Und ob die laut Karte vorhandenen Seezeichen am Ende auch tatsächlich da sind oder ein Leuchtfeuer funktioniert, ist ungewiss.

Kursvorschlag: „Eyeball Navigation“

Insgesamt wird daher generell von Nachtfahrten abgeraten, ein Hinweis, an den wir uns auch gehalten haben. Bei den Tagestouren stellt sich dafür recht schnell ein tolles Entdeckergefühl ein, denn immer wieder muss auf Sicht gesegelt werden. „Eyeball Navigation“ ist die übliche Antwort, wenn nach Erfahrungen bzw. Kursvorschlägen gefragt wird. Die Methode ist bei dem kristallklaren Wasser aber kein großes Problem, mit etwas Übung kann die Wassertiefe anhand der Wasserfarbe (je höher der Weißanteil desto flacher) geschätzt werden. An dieser Stelle der Hinweis des Vercharterers: „Eine weiß-hellgelbe Fläche direkt vorm Bug bedeutet, dass ihr schon auf der Sandbank sitzt“.

Es lohnt hier einen kurzen Blick in die Geschichte: Nachdem Columbus die Inseln 1492 entdeckte und die damalige Bevölkerung von den Spaniern nach Hispaniola verschleppt und dort versklavt wurde, übernahmen ab Mitte des 17. Jahrhunderts die Engländer die Macht. Für eine gewisse Zeit waren u.a. Schmuggel und Piraterie die Lebensgrundlage, „wrecking“ galt als ordentliche Tätigkeit mit einzuhaltenden Regeln. Das ist natürlich alles lange her, passt aber gut zum Charakter des Reviers.

Nicht zuletzt wegen der Besonderheiten des Seegebietes gibt es eigentlich auch nur in den Abacos ein größeres Angebot an Charterschiffen, gelten doch die Abacos in einigen Teilabschnitten als durchaus familientaugliches Revier. Unser ca. 5 Jahre alte Boot, die „Island Time“, war in einem ausgezeichneten Zustand und die Betreuung durch die Charterbasis ebenfalls vorbildlich.

Karibisches Segel- und Lebensgefühl

Unser Törn mit diversen Inselbesuchen, Ankerstopps, Dinghifahrten, langen Abenden auf dem Achterdeck und natürlich viel Segeln verlief problemlos und relaxed. Was uns besonders in Erinnerung geblieben ist?

  • Erstklassiges Segelwetter: nur einmal für einige Stunden Regen, ansonsten 3-6 Beaufort bei strahlendem blauen Himmel mit einigen Haufenwolken, die sich auf den Fotos gut machen.
  • Der Kahn läuft doch tatsächlich 8 kn und mehr.
  • Die Brecher an der Riffkante.
  • Jede Hafeneinfahrt ein Abenteuer, jede neue Insel spannend
  • Reicht die Wassertiefe? Wann ist denn heute eigentlich Hochwasser?
  • Die Ansteuerung von Hope Town … bei 4,5 Fuß Draft zeigt das Lot 5 Fuß Wassertiefe
  • Sonnenuntergang innerhalb von 30 Minuten, danach Dunkelheit und Sternenfunkeln
  • Traumhaftes Wasser, Blau- und Türkistöne in allen Abstufungen bis zum Horizont, manchmal nahezu unwirklich.
  • Überall Strömungen (beim Schwimmen beachten), der kleine Antillenstrom läuft durch die Bahamas
  • Der Strand von Treasure Cay, kilometerlang mit perfektem Sand in einer filmreifen Bucht
  • Nippers Bar auf Great Guana Cay, die Sansibar/ Sylt der Abacos mit tollen Cocktails, karibischer Musik und Blick auf die Riffe … Kult!
  • Nochmal Hope Town … nein, trotz rot-weiß gestreiftem Leuchtturm sind wir nicht in Friesland
  • Die Eisbude auf Man-O-War Cay (stimmt, so hieß auch eines der erfolgreichsten amerikanischen Rennpferde um 1925)
  • Die Häfen und Orte: viel Holz, Pastelltöne, Ruhe … zum Wohlfühlen … fast wie in Bullerbü
  • Und nicht zuletzt das Lebensgefühl, alles läuft ruhig ab, man begegnet sich hilfsbereit und freundlich. „Island Time“ ist eben nicht nur ein Bootsname, sondern u.a. auch der Begriff für einen sorglosen und entspannten Umgang mit den Herausforderungen eines Lebens nach der Uhr. Wer die lange Anreise in Kauf nimmt und einen erholsamen Segelurlaub plant, bei dem es nicht nur ums Segeln geht, ist hier sicher gut aufgehoben.